Was hat denn das SARS-CoV-2 und die von ihm hervorgerufene Erkrankung COVID-19 mit Urologie zu tun? Wird das Virus nicht eingeatmet und ist es nicht deshalb weit weg vom Arbeitsbereich der Urologie?
Bezüglich Corona-Viren gibt es in der Tat Fallberichte, dass virale Erbinformation nicht nur im Respirationstrakt (Atemwege, von lat. respirare = atmen), sondern auch im Blut, im Urin und sogar im Stuhl nachweisbar ist.1,2 Da das SARS-CoV-2 mehrere Organsysteme befällt, wird auch spekuliert, ob es im Sperma zu finden sein könnte, worauf es bisher noch keine Hinweise gibt.3 Allerdings ist weiterhin unklar, ob das Coronavirus im engeren Sinne sexuell übertragbar ist, also zum Beispiel über Sperma- oder Vaginalflüssigkeit oder durch den Kontakt zur Harnröhre beim Oralverkehr.
Laut Robert-Koch-Institut ist der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 die "respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen." Je nach Partikelgröße werde zwischen "Tröpfchen (größer als 5 µm)" und "Aerosolen (feinste luftgetragene Flüssigkeitspartikel und Tröpfchenkerne, kleiner als 5 µm)" unterschieden, wobei der Übergang zwischen beiden Formen fließend sei.
Warum ist das in der Urologie von Belang? Die meisten urologischen Indikationen treten im Rentenalter auf und sind damit der Hauptrisikogruppe für eine schwere Covid-19-Erkrankung zuzuordnen. Deshalb ist es in einer urologischen Praxis besonders wichtig, sich an die Hygienevorgaben der Praxis zu halten. Diese können das nur einzelne Betreten der Praxis, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, die Desinfektion der Hände und die Begrenzung auf nur eine Patientin oder einen Patienten pro Raum sein. Beim Kontakt mit dem Praxis-Team wird z. B. bei der Blutabnahme, bei der Untersuchung und beim Ultraschall der Sicherheitsabstand von 1,5 m deutlich unterschritten.
Die Übertragungswahrscheinlichkeit ist im Außenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering. Das Gleiche wird durch ständiges und gründliches Lüften von Praxisräumen erreicht. Während die Desinfektion der Hände und Oberflächen in einer Praxis schon immer wichtig war, müssen Abgabegefäße für Blut, Stuhl, Urin und Sperma mit zusätzlicher Sorgfalt behandelt werden. Am besten ist es, wenn sich Patientinnen und Patienten bereits äußerlich desinfizieren, bevor das Gefäß im Labor abgegeben wird. Dazu gehört auch die Empfehlung zur Desinfektion der Klobrillen vor der Benutzung.
Der Mund-Nasen-Schutz ist nicht nur für die Verminderung der Viruslast in der Luft wichtig, sondern vor allem auch als Erinnerung für uns alle, dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden. Und solange wir darauf warten, dass ein Impfstoff in ausreichend großen Mengen der Bevölkerung zur Verfügung steht, gibt es nur ein Mittel gegen eine Covid-19-Erkrankung: eine Ansteckung mit dem Virus zu vermeiden. Also bitte, üben Sie sich in Geduld, halten Sie Abstand, achten Sie auf Händehygiene, tragen Sie einen Mund-Nasen-Schutz und befolgen Sie die Sicherheitsanweisungen in Ihrer urologischen Praxis! Dann kommen wir da alle zusammen – auch im neuen Jahr – möglichst heil durch.
Arp Blum
Facharzt für Urologie
Medikamentöse Tumortherapie, Andrologie und Palliativmedizin
Quellenangaben (Stand der Redaktion: 26.11.2020)
1 Wang, W. et al.; Detection of SARS-CoV-2 in different types of clinical specimens; JAMA 323:18 (2020), 1843-44
2 Peng, L. et al.; SARS-CoV-2 can be detected in urine, blood, anal swabs, and oropharyngeal swabs specimens; J. Med. Virol. (2020), doi: 10.1002/jmv.25936
3 Holtmann, N. et al.; Assessment of SARS-CoV-2 in human semen - a cohort study; Fertil Steril. 114:2 (2020), 233-38